Mit großer Aufregung bringen die braven Bürger den völlig entkräfteten Jüngling in die warme Stube. Er ist ausgekühlt und scheint einen strengen Marsch hinter sich zu haben. Seine Pferde haben sie im angrenzenden Stall untergebracht. Es ist schon komisch, für die Stute und ihr Fohlen hatte er anscheinend Decken übrig, für sich selbst aber nicht. Nur in seiner Lederrüstung, einem Wappenrock mit dem fränkischen Rechen auf der Brust und einem Umhang scheint er sich durch die Landschaft geplagt zu haben. Sie richten ihm ein Lager vor dem offenen Kamin in der Stube, hüllen ihn in vorgewärmte Decken und flößen ihm eine warme Suppe ein. Zusammen warten sie darauf, dass er etwas zu Kräften kommt, um ihn nach seiner Geschichte zu fragen.
Mainabwärts kehrt die Söldnergruppe Die Frankonier in eine gemütliche Gastwirtschaft ein. Der Wirt wittert sofort ein gutes Geschäft und vielleicht die ein oder anderen Neuigkeiten von der schwergerüsteten Gruppe.
„Tach! Ich bin Holger, Inhaber des gefüllten Fasses. Was darf‘s denn sein?“
„Guten Tag! Habt ihr vielleicht einen Jasmintee?“
„Hä?!“
„Oder einen Bordeaux?“
„…“
„Nun denn, wie sieht es denn mit Met aus Lindenblütenhonig aus?“
„…“
„Oder einer Waldmeisterbowle?“
„…“
„Krack, lass den Mann in Ruhe. Wir nehmen jeder einen Krug Bier.“
„Des hab ich. Darf ich fragen, woher ihr kommt und wer ihr seid?“
„Natürlich! Wir sind die Frankonier aus Würzburg!“
„Frankonier? Die Bezwinger vom schwarzen Tod? Welch‘ Ehre! Die erste Runde geht auf mich!“
Der Wirt eilt Richtung Tresen, während sich die Söldner verwundert ansehen.
„Hat jemand von euch einen kleinen Anflug von Pest gehabt und uns nicht Bescheid gesagt?
Viertel?“
„Nicht dass ich wüsste. Ich hatte ja schon viel, aber das war noch nicht dabei.“
„Wurscht. Solange es uns eine Freirunde einbringt, spielen wir mal mit. Hombre? Kannst du vielleicht ein wenig husten, wenn uns der Wirt das Bier bringt? Dir nimmt man das am Ehesten ab.“
An einem anderen Ort erfreut sich ein uns bekannter Franke an seiner dritten Schüssel Suppe. Er spürt wie seine kalten Knochen wieder Wärme aufnehmen, dank der Hilfe dieser Leute. Ein erstes Begutachten der Umgebung sagt ihm, dass er wohl in der Wohnstube einer kleinen Familie ist. Außerdem scheinen auch noch die Nachbarn anwesend zu sein. Alle warten darauf, dass er ihnen erzählt, was ihm zugestoßen ist. Und weil er sich für die Hilfe dieser braven Menschen revanchieren will, erzählt er ihnen nur zu gerne, was sich in der letzten Woche zugetragen hat.
„Also, da steht dieser Berthold auf einmal im Stall und erzählt mir, dass er als Kind seine Eltern umgebracht hat. Mit so jemanden ist nicht gut Kirschen essen, also habe ich versucht so schnell wie möglich von ihm weg zu kommen. Und damit er mir nicht so leicht folgen kann, habe ich die Straßen gemieden und bin über Felder und durch Wälder weiter gezogen.“
„Eine weise Entscheidung, Herr.“
„Ich hätte natürlich auch gegen ihn kämpfen können, aber wenn die Frankonier jemanden einmal besiegt haben, dann demütigen sie ihn nicht noch einmal mit einer zweiten Niederlage. Kann ich vielleicht noch ein Stück Brot haben?“
„Natürlich Herr. Hier bitte. Wie ging es denn dann weiter? Die Wälder hier in der Gegend sind nicht ungefährlich.“
„Das musste ich auch erfahren! Mir ist alles Mögliche über den Weg gelaufen! Räuber, Wölfe, Bären, habt ihr gewusst, dass Eichhörnchen und Hasen im Winter in Rudeln jagen?“
„Äh, nein Herr. Das war mir bis jetzt nicht klar.“
„Das tun sie! Und nur meinem Geschick als Fährtenleser und Waldmann ist es zu verdanken, dass ich mit meinen Tieren hier unbeschadet angekommen bin! Aber das sind natürlich Fertigkeiten, die jeder von uns Frankoniern besitzt. Alwilda zum Beispiel ist in ihrer Heimat von Wölfen groß gezogen worden. Don Christo wird nicht umsonst der Bär genannt. Und Hombre sieht so aus als ob er schon seit Urzeiten sein Wild per Hand erlegt hat! Ja, in der Wildnis macht uns niemand was vor!“
Mit fragendem Blick hält er der Dame des Hauses seine leere Schüssel hin, auf eine weitere Füllung hoffend.
„Vielen Dank. Also wie gesagt habe ich mir die letzten 7 Tage meinen Weg durch diese gefährliche Landschaft aus Schnee und Eis gekämpft. Immer dessen bewusst, dass mir in kurzer Zeit das Essen ausgehen wird, mich der Schnee blind machen kann, ich von wilden Tieren bedroht werde und höchstwahrscheinlich diesen Berthold an den Hacken habe. Aber aufgeben kommt für einen Frankonier nicht in Frage! Niemals aufgeben, niemals kapitulieren! Das ist unser Wahlspruch, den wir uns auf die Fahne geschrieben haben! Also geschrieben hätten, wenn da nicht schon etwas anderes stehen würde. Aber danach leben wir.“
Der kleine Söldner erhebt sich und sucht seine Sachen zusammen.
„Habt vielen Dank, ihr lieben Leute! Ich muss jetzt leider weiter ziehen. Berthold ist mir bestimmt noch auf den Fersen und ich möchte euch nicht durch meine Anwesenheit hier in Gefahr bringen. Habt nochmals vielen Dank für Speis und Trank.“
„Oh, gerne doch. Eine Frage noch, wenn ihr gestattet. Diese ganze Sache mit Berthold, wo ist die denn vorgefallen?“
„Oh, ganz weit weg, in Ochsenfurt. Ihr dürftet hier also ziemlich sicher sein. Aber man muss ja kein unnötiges Risiko eingehen, oder?“
„Äh, nein Herr. Dann wünsche ich euch eine gute und sichere Weiterreise.“
Als der junge Mann mit seinen Pferden den Hof verlässt, wendet sich die Frau zu ihrem Mann.
„Sag mal, warum hast du ihm nicht gesagt, dass er hier in Marktbreit ist und Ochsenfurt gerade mal 2 Stunden zu Fuß mainabwärts liegt?“
„Hast du nicht das stolze Glitzern in seinen Augen gesehen? Ich zerstöre nicht gerne die Träume eines Mannes.“
Viele, viele Kilometer mainabwärts sitzen die Frankonier immer noch in der Taverne und versuchen den Wirt davon zu überzeugen, dass Hombre nicht nur den schwarzen Tod besiegt hat, sondern auch Mumps, die Röteln, Masern, die Schweinepest, einen ganz üblen Schnupfen, Läuse, die Krätze und die weltgrößten Blähungen.
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